Das Thema Zukunft boomt, im Laufe der letzten Jahre wurde Zukunft fast zum Buzzword. Kaum ein Diskurs im Wettbewerb um öffentliche Aufmerksamkeit kommt ohne einen Bezug darauf aus: Ob ein Projekt Zukunft für alle, ein schnell eingesetztes Zukunftsteam, eine Zukunftsampel – nirgends muss man lange suchen, um auf einen Verweis auf die Zukunft zu stoßen.
D2030 kenne ich seit etwa 2016/17, v.a. seit der Zukunftskonferenz Deutschland weiter denken – D2030 im Sommer 2017 in Berlin-Neukölln. Seitdem habe ich wohl an allen Nachbefragungen teilgenommen – und darf mich sogar Zukunftsbotschafter nennen.
Was D2030 auszeichnet ist die Anwendung der Szenariotechnik. Szenarien sind keine eindeutigen Beschreibungen, sondern Big Pictures von dem, was wir erwarten können, wenn wir bestimmte Vorentscheidungen treffen. »Denk-Werkzeuge«, die Möglichkeiten in Zusammenhängen sichtbar werden lassen, in sich widerspruchsfrei, aber es sind ihnen keine Wahrscheinlichkeiten zugeordnet. Letztlich können sie es uns erleichtern, neue Wege zu denken.
Charakteristisch bei D2030 sind die so bildhaften Namen wie Neue Horizonte oder Spurtreue Beschleunigung. Damit klingt bereits eine Vorstellung davon an, was zu erwarten ist – und welche Haltungen dahinterstehen. Die 2017 vorgestellten Perspektiven reichten von einer digitalen Zivilgesellschaft bis zu einer Tendenz zur Abschottung in Alten Grenzen.
Seitdem ist bereits mehr geschehen, als man damals erwartet hatte. Vier, fünf Jahre zurück ging es in den Zukunftsdiskussionen oft um die Folgen der neuen Vernetzungslogik und ihre sich sammelnden Gegenströmungen. Die neuen digitalen Techniken hatten sich einige Jahre zuvor auch im Alltag verbreitet und ihre Möglichkeiten wurden genutzt. Gleichzeitig entfalteten die GAFAM- Unternehmen der Plattformökonomie ihre Macht. Eine neue Organisiertheit von Gesellschaft wurde sichtbar.
Im Verlauf der Corona- Krise wurden die Szenarien zu D2030 mehrmals überarbeitet bzw. auf Veränderungen abgeklopft. Geblieben sind die bildhaften Bezeichnungen. Kann man sich etwa ein attraktiveres Szenario vorstellen als eine Neue globale Dynamik, die Nachhaltigkeit und wirtschaftliche Dynamik miteinander verbindet? Es tauchen auch andere Bezeichnungen auf. Was macht es aber realistisch? Hintergrund sind Zukunftsaussagen mit hohen Erwartungswerten, etwa ein deutlich flexibler organisiertes Arbeitsleben und die weiter zunehmende Bedeutung der Themen Umwelt, Klima und Nachhaltigkeit.
War/ist Corona denn ein Auslöser gesellschaftlichen Wandels? – oder sogar eine Zeitenwende, wie es manchmal diskutiert wurde? Wahrscheinlich bedeutet(e) Corona vor allem eine gemeinsame Erfahrung: Dass Veränderungen plötzlich auftreten können. Und ohne die noch neue digitale Infrastruktur wäre die Krise weitaus schwieriger zu bewältigen. Wieweit sich die Erfahrungen von Home Office bzw. ortsunabhängiger Arbeit, die des eingeschränkten Pendelverkehrs, der eingeschränkten Mobilität generell, niederschlagen. Was wird von Veränderungen bleiben, die in der Krise angestoßen wurden?
Gesellschaften brauchen einen Common Meeting Ground – einen Erlebnisraum, in dem gemeinschaftlich als wichtig empfundene Themen erkannt werden. Manchmal ist dieser Meeting Ground der Stau auf der Autobahn, genauso kann es der gemeinsam genutzte urbane Raum sein. Und dann kann verhandelt und entschieden werden, was kollektiver Problemlösungen bedarf.
Hat sich die Auffassung, dass Zukunft gestaltbar ist, verbreitet? Manches spricht dafür, dass die Befürwortung einer nach Kriterien von Gemeinnützigkeit transformierten Wirtschaft sich ebenfalls verbreitet hat. Arbeitsmodelle, die sich an Frithjof Bergmanns berühmten Satz „was sie wirklich, wirklich wollen“ orientieren, werden mittlerweile viel ernsthafter diskutiert.
Wahrscheinlich werden sich in den nächsten Jahren, Veränderungen dieser Einstellungen zeigen – kulturelle Evolution.
Klaus Janowitz ist Sozialwissenschaftler, Zeitdiagnostiker und Blogger: https://www.klaus-janowitz.de/wordpress. Gemeinsam mit Klaus Burmeister ist er Gastgeber der ersten D2030 Future Lounge am 6. Oktober, ab 18 Uhr auf Zoom:
https://zoom.us/j/95823920699?pwd=dUZueXY4SVRySGNuM2dFcnkvNWxyQT09
Meeting-ID: 958 2392 0699
Kenncode: G5cg6N